Tagung für Getreidewissenschaften

Klimawandel beeinflusst Sortenwahl

Ein Artikel von Alfred Mar | 20.12.2019 - 17:21
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Herausforderung Klimawandel: ICC-Präsident DI Alfred Mar widmete sich den Prognosen und möglichen Lösungen. © Mar

Zum fünften Mal veranstalteten die getreidewissenschaftlichen Gesellschaften der drei deutschsprachigen Länder, die Arbeitsgemeinschaft Getreideforschung (AGF), Detmold, Deutschland, die Internationale Gesellschaft für Getreidewissenschaften und -technologie, Landesgruppen Österreich (ICC-Austria), Wien, und ICC-Schweiz, Wädenswil, die gemeinsame wissenschaftliche Tagung für angewandte Getreidewissenschaften.

Gemäß der zwischen den drei Vereinigungen vereinbarten zeitlichen Folge wurde die wissenschaftliche Veranstaltung 2019 wieder in der Schweiz, diesmal in Kooperation und am Standort des Forschungszentrums Agroscope in Changins, Nyon am Lac Leman, ausgerichtet.

Klima als Herausforderung

In seinen Begrüßungsworten an die rund 70 TeilnehmerInnen aus den drei Ländern hob Etienne Bucher, Agroscope, den Klimawandel als die größte Herausforderung an die Getreidewissenschaft und -technologie in den nächsten Jahrzehnten hervor. In den 22 hochkarätigen Vorträgen, zwölf aus Deutschland, je fünf aus der Schweiz und Österreich, berichteten WissenschaftlerInnen aus den drei Ländern über aktuelle Forschungsthemen der Getreidewissenschaft. Dabei waren Topics wie Acrylamid, Aromastoffe aus Malz, Backen mit Ohmic Heating, Ballaststoff, Bodeneinflüsse auf die Weizenqualität, 3D-Printing von Getreideteigen, Enzymzusätze und deren Wirkung in Teigen, Glutenzusammensetzung, Hefestoffwechselprodukte und deren Wirkung auf Teige, Kontaminanten (Fusarien, modifizierte Mycotoxine, Tropanalkaloide), österreichischer Semmel-Standardbackversuch, Oleogele als Fettersatz, Roggenteigtechnologie und Weizenzüchtung.

Besondere Beachtung fanden die vier Vorträge, die den einleitenden Worten von Etienne Bucher entsprechend das Thema Klimawandel und die Auswirkungen auf die Getreidewirtschaft in den Mittelpunkt stellten.

Neue Sorten als Chance

Alfred Mar, ICC-Austria und Institut für Lebensmitteltechnologie, BOKU Wien, fokussierte seine Ausführungen auf den Klimawandel und dessen Herausforderung an die Getreidewissenschaft und -technologie. Im ersten Teil des Vortrags wurden die klimainduzierten Wirkungen auf die Getreidewirtschaft dargestellt, wie Rückgänge der Hektarerträge, geringere Resistenzen gegen Schädlings- und Pilzbefall sowie relative Zunahme des Gesamtproteingehaltes bei Weizen.

Im zweiten Teil der Ausführungen wurde das bereits von der österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft FFG genehmigte Projekt „KlimaTech“ vorgestellt, in dem besonders in Feinbackwaren Weizenmehl durch Mahlprodukte aus dem wesentlich trockenresistenteren Sorghum ersetzt wird.

Düngung neu denken

Christian Zörb, Institut für Kulturpflanzenwissenschaften, Universität Hohenheim, Stuttgart, behandelte in seinem Vortrag die Auswirkungen des Klimawandels auf die Weizenqualität bei gleichzeitig angepasster Stickstoffdüngung. Zunächst ist davon auszugehen, dass steigende Kohlenstoffdioxid-Konzentrationen in der Luft zu einer Zunahme an Pflanzenmasse bei gleichzeitiger Abnahme des Proteingehaltes führen. Dem ist auch nicht mit steigenden Stickstoff-Düngegaben entgegenzuwirken.

Das höchste Brotvolumen wurde bei einer Kohlenstoffdioxid-Konzentration von 600 ppm (derzeit rund 400 ppm) bei einem Proteingehalt des Weizens von nur 11,8 Prozent festgestellt.

Hirse und Sorgum

Regine Schönlechner, Institut für Lebensmitteltechnologie, BOKU Wien, präsentierte mit einem allgemeinen Überblick über Hirse- (Millet-) und Sorghumarten einen konkreten Lösungsansatz zu dem im vorangegangenen Vortrag von Alfred Mar genannten Projekt KlimaTech, hervorgehoben wurde Sorghum als „Plant of the Future“ mit den Eigenschaften der Trocken- und Schädlingsresistenz sowie dem geringeren Bedarf an Stickstoffdüngung.

Zudem ging Schönlechner auf die ernährungsphysiologischen und sensorischen Aspekte des Polyphenolgehaltes ein und nannte Möglichkeiten zu dessen Reduktion. Technologische Aspekte zur Getreidereinigung, etwa die Entfernung von Stechapfelsamen und deren Abrieb, zur Schälung, Vermahlung sowie zur Backfähigkeit rundeten das Bild zu Sorghum ab.

Hitze verändert Weizen

Lisa Call, Institut für Lebensmitteltechnologie, BOKU Wien, berichtete über den Einfluss der Umweltbedingungen auf die Bildung antinutritiver Inhaltsstoffe im Weizen. Im Mittelpunkt der Ausführungen standen die ATIs, die Amylase-Trypsin-Inhibitoren. Nach Messung der ATI-Aktivität über die Vegetationszeit konnte noch drei Wochen nach Blüte keine Trypsinhemmung beobachtet werden.

Weitere Ergebnisse lassen den Schluss zu, dass Trockenheit die ATI-Aktivität erhöht. Zwischen Bio- und konventionellem Weizen wurden keine Unterschiede hinsichtlich ATI-Aktivität festgestellt.

Die nächste D-A-CH-Tagung für angewandte Getreidewissenschaften findet von 1. bis 2.10.2020 in Detmold statt.