Vortragende_c_AS.jpg

Gruppenfoto der Vortragenden und Organisatoren der FTZ-Tagung in Hollabrunn mit Hauptorganisator Wolfgang Wernert (re.). © Andrea Sturm

Fleischtechnologietag

Die Fleischwirtschaft wird zukunftsfit

Ein Artikel von Andrea Sturm | 07.03.2025 - 14:31

Rund 75 Teilnehmer sowie Schüler der privaten HTL für Lebensmitteltechnologie verfolgten die Vorträge und sorgten für teils rege Diskussionen. Durch die Veranstaltung führte Wolfgang Wernert, langjähriger ehemaliger Leiter des Fleischtechnologiezentrums Hollabrunn.

Treibhausgase unter der Lupe

Eine differenzierte Betrachtung von Treibhausgasemissionen forderte Stefan Hörtenhuber von der Universität für Bodenkultur Wien (BOKU). Die Klimabilanz von österreichischem Rindfleisch ist bereits um 25 Prozent geringer als im Rest der EU, südamerikanische Ware schneidet wegen des Abholzens von Regenwald noch deutlich schlechter ab. In den Berechnungen wird aber ausgeklammert, dass nicht alle Treibhausgase gleich lange die Atmosphäre belasten. So werden die in der Tierhaltung hauptsächlich anfallenden Gase Methan und Lachgas deutlich schneller abgebaut als etwa CO2, eine präzisere Berechnungsmethode wäre also nötig, erklärte Hörtenhuber.

Rechnet man die Emissionen auf die erzeugten Produkte um, haben Milchkuhherden, deren Kälber geschlachtet werden, eine klar bessere Bilanz als reine Mutterkuhherden, da ein Teil der Emissionen auf die Milch gerechnet wird. Großen Einfluss auf die Klimabilanz von Fleisch hat auch die Fütterung. Der Unterschied zwischen regionalen und importierten Proteinfutterprodukten ist bekanntlich signifikant. Der Einsatz von proteinhaltigen Koppelprodukten, etwa aus der Müllerei, kann ebenfalls für eine bessere Klimabilanz sorgen. Zudem gibt es synthetische Futterzusätze wie beispielsweise 3-Nitro-Oxypropanol, die die Methanemissionen effektiv reduzieren können. Der Einsatz von pflanzlichen Zusatzstoffen für diesen Zweck ist derzeit noch unzureichend erforscht.

Mehr Tierwohl durch fermentierte Kräuter

Christine Leeb von der BOKU und Andreas Danninger von Multikraft stellten aktuelle Forschungsergebnisse vor, die in Zusammenarbeit zwischen der BOKU Wien, der Multikraft GmbH aus Pichl bei Wels und dem oberösterreichischen Fleischverarbeiter Hütthaler den Einfluss von fermentierten Kräuterextrakten auf das Verhalten und die Gesundheit von Schweinen untersuchten.

Bereits bekannt ist, dass das im Darm heimische Mikrobiom nicht nur die Gesundheit, sondern auch die Emotionen beeinflussen kann. Das komplexe System macht aber die Feststellung von eindeutigen Kausalitäten schwierig.

Die Zugabe von fermentierten Kräuterextrakten zum Futter wurde in drei österreichischen Schweinezuchtbetrieben getestet. Bei den Schweinen, welche die Kräuterextrakte als Futterzusatz erhielten, verringerten sich klinische Symptome wie Husten und Niesen signifikant. Auch das Schwanzbeißen ging zurück, allerdings nicht in allen Betrieben gleich stark. Weitere Forschungen sind geplant.

Schlachtabfälle nachhaltig nutzen

GAbauer_c_AS.jpg

Die Vorteile der Verwertung von Schlachtabfällen in Biogasanlagen erläuterte Wolfgang Gabauer von der BOKU Wien. © Andrea Sturm

Die Verwertung von Schlachtabfällen in Biogasanlagen kann nicht nur die CO2-Bilanz verbessern, sondern auch Entsorgungskosten vermindern, erklärte Wolfgang Gabauer von der BOKU Wien. Wichtig dabei ist die richtige Vermischung vor der Verwertung, da Anteile mit hohem Wasser- oder Stickstoffgehalt die Verarbeitung behindern können. Bereits im Einsatz sind entsprechende Anlagen beim Schlachthof Großfurtner in Oberösterreich sowie als Pilotversuch bei Berger Schinken. Solche Anlagen können vor allem wegen der hohen Energiepreise eine Alternative sein, auch wenn die Anschaffungskosten eine Hürde darstellen.

„Vom Schnauzerl bis zum Schwaferl“

Die ganzheitliche und damit nachhaltige Fleischverwertung sei hierzulande schwierig, weil ÖsterreicherInnen fast ausschließlich die edlen Fleischteile kaufen, erklärte Magdalena Sommer vom Fleischhof Raabtal. Der Weg vom Schlachthof zum Fleischkompetenzzentrum beinhaltete für das steirische Unternehmen daher auch die Entwicklung von Verwertungsmöglichkeiten für weniger geschätzte Teile und Schlachtabfälle.

Das kann etwa der Export von Nebenprodukten wie Innereien, Knochen und Knorpel sein oder die Herstellungvon Tiernahrung aus Fleischanteilen, die nicht für den menschlichen Verzehr geeignet sind. Fettreiche Schlachtabfälle dienen der Biodiesel-Erzeugung, und die Hypophysen der Schweine gehen in die pharmazeutische Industrie zur Erzeugung von Hormonen. „Die vollständige Nutzung aller Teile des Tiers, oder wie man gerne sagt, ‚vom Schnauzerl bis zum Schwaferl‘, ist eine Frage der Wertschätzung, aber auch der Nachhaltigkeit“, betonte Sommer, „die Ressourcen, die bei der Tieraufzucht verwendet werden, sollen in der Verwertung nicht verloren gehen, indem man Teile des Tiers wegwirft.“

Produktschutz als Nachhaltigkeitsargument

Verpackung ist im Kontext der Nachhaltigkeit ein komplexes Thema, wie Manuel Pfitzner von der Fachhochschule Campus Wien in seinem Vortrag betonte. Besonders bei Fleischprodukten helfen Verpackungen aus Kunststoff und kombinierten Materialien dabei, die Haltbarkeit zu maximieren. Sie sind zwar schwieriger zu recyceln als beispielsweise Papier oder reine PET-Verpackungen, aber: „Der größte Verlust entsteht, wenn Lebensmittel im Abfall landen. Daher ist ein guter Produktschutz wichtig, um dies zu verhindern. Der CO2-Fußabdruck der Lebensmittelproduktion ist viel höher als der der Verpackung“, erklärte Pfitzner.

Ein Netzwerk für mehr Hygiene

Kompromisslose Hygiene und kontinuierliche Überwachung sind die besten Verbündeten im Kampf gegen die allgegenwärtigen Listerien, war Beatrix Stessl von der Veterinärmedizinischen Universität Wien überzeugt. Im Ernstfall ist auch die Herkunft des Befalls wichtig: Listerien, die sich in Nischen des Betriebs eingenistet haben, sind durch spezifische Hygienemaßnahmen zu bekämpfen. Werden sie hingegen durch das Rohmaterial von außen eingebracht, ist die Kommunikation mit dem Lieferanten der Schlüssel. Ein europäisches Netzwerk zur Analyse von spezifischen Stämmen und der Verbreitung soll in Zukunft bei der Bekämpfung helfen.

Ist das Hühnchen vergan?

IMG_3236.JPG

Kathrin Edler von der WKO widmete sich lebensmittelrechtlichen Definitionen. © Andrea Sturm

Kathrin Edler von der WKO gab einen aktuellen Überblick über den aktuellen Stand der Kennzeichnung von veganen und vegetarischen Lebensmitteln. Tatsächlich gibt es keine rechtlich verbindliche Definition von vegan oder vegetarisch, aber „100 Prozent pflanzlich bedeutet jedenfalls vegan“, so Edler. Der Lebensmittelkodex erlaubt Bezeichnungen wie „vegane Rostbratwürstel“ unter bestimmten Voraussetzungen.

„Wenn bei den Inhaltsstoffen angegeben ist, welches Protein und welche Geschmacksstoffe verwendet wurden, dann darf im Produktnamen Fleisch, Wurst oder Würstel enthalten sein. Bei Milch oder Milchprodukten aus Ersatzrohstoffen ist das allerdings nicht erlaubt.“

Daher heißt es im Handel auch Haferdrink und nicht Hafermilch. Ähnliches gilt auch für Produkte mit geografisch geschützter Herkunft, beispielsweise für den Tiroler Speck.

Fleischprofi auf veganen Pfaden

Martin-Berger_c_AS.jpg

Direkt aus der Praxis der veganen Produktentwicklung berichtete Martin Berger von Berger Schinken in Niederösterreich. © Andrea Sturm

Direkt aus der Praxis der veganen Produktentwicklung berichtete Martin Berger von Berger Schinken in Niederösterreich. Die pflanzlichen Rostbratwürstel „BergGaudi“ auf der Basis von Erbsenprotein werden mit veganem Käse aus dem Start-up KernTec verfeinert. Dabei tun sich neue Herausforderungen auf: Die pflanzliche Käsealternative verhält sich in Sachen Schmelz ganz anders als herkömmlicher Käse, und auch die Kennzeichnung musste völlig neu gedacht und rechtlich abgesichert werden. Besonderes Augenmerk galt aber der Haltbarkeit: Bei veganen Produkten liegt die Gefahr in Hefe- und Schimmelpilzen, die Fleischerzeugern üblicherweise keinen Kummer bereiten. Dennoch ist Martin Berger überzeugt, dass fleischerzeugende Betriebe den Fokus auch auf Alternativprodukte legen sollten.

Zwang zum Energie-Glück

Nicht als lästige Auflage, sondern als Chance zur Effizienzsteigerung sollten Unternehmen die EU-Energie-Audits betrachten, erklärte Friedrich Mühlener, Geschäftsführer des Instituts für Energieausweise: „Ein Energie-Audit ist keine lästige Auflage der EU,  sondern ein Zwang zum Gück. Wenn Sie ein neues Gebäude nach Klimaaktiv-Standard bauen, sind Sie taxonomiekonform und erhalten auch noch bessere Ratings bei den Banken.“ Zudem solle man sich bei jeder Investition nach Förderungen erkundigen, denn zu viele blieben ungenutzt.

Fürs Leben lernen

IMG_2058.JPG

Burger für die World-Games: SchülerInnen des 4. Jahrgangs der HTLLT unter Leitung von Kerstin Spindler (5. v. re.) . HTLLT-Chef Gottfried Krottendorfer (li.) ist begeistert. © ecoplus

Ein Schulprojekt des vierten Jahrgangs der HTL für Lebensmitteltechnologie unter der Aufsicht von Kerstin Spindler wurde ebenfalls vorgestellt. Bei den United World Games in Klagenfurt betrieben die SchülerInnen einen Burgerstand. Sie mussten alle Aspekte von Produktentwicklung über Rohstoffbeschaffung, Sponsoring und Logistik bis hin zum Verkauf selbst organisieren. „Unsere größte Herausforderung war die Logistik. Ohne unsere Sponsoren wie Wiesbauer, Berger und Ölz wäre das Projekt nicht möglich gewesen“, schilderte die Gruppe.

Alternativ-Verkostung

Dormayer_c_AS.jpg

Markus Dormayer mit seiner veganen Blutwurst, eines der verganen Produkte, die verkostet wurden. © Andrea Sturm

Die abschließende Verkostung von veganen Alternativen umfasste die Berger „Berg-Gaudi“, vegane Blutwurst von Markus Dormayer sowie vegane Extrawurst- und Dauerwurstproben. Elisabeth Buchinger, Geschäftsführerin Sensorikum, erläuterte das Vokabular und die besondere Sensorik bei veganen Verkostungen. Vieles sei eine Frage der Erwartungen, so Buchinger: Während FlexitarierInnen etwa besonders fleischähnliche Eigenschaften bevorzugen, kann der „authentische“ Fleischgeschmack für überzeugte VeganerInnen sogar abstoßend wirken.