Hansjörg Haag mit einer Schachtel Winzerzungen, das sind mit Süßweingelee gefüllte Katzenzungen. © Herbert Lehmann
Hansjörg Haag hat seine Konditorei in Landeck in den letzten 25 Jahren zu einer hochwertigen Schokoladenmanufaktur gewandelt. Vor rund 30 Jahren war handwerklich hergestellte Edelschokolade eigentlich kein großes Thema, und die breite Masse hat es eigentlich bis heute noch nicht am Radar. Aber die Zahl der Genießer und Kenner von hochwertigen Schokoladen ist enorm gestiegen – genauso wie die Zahl der Hersteller. Das Angebot ist vielfältiger als je zuvor und der Variantenreichtum schier unendlich geworden. Handgeschöpft und aufgelegt, vegan und sortenrein, Bean-to-Bar und faire Ernte sind die Schlagwörter, die neben der Prozentangabe des Kakaoanteils die Community interessiert. Bei den „Tiroler Edle“-Produkten kommen auch noch ganz stark Regionalität und Nachhaltigkeit dazu von den Zutaten bis zur Verpackungsfolie.
Aber von Anfang an. Hansjörg liebt die Berge. Natürlich. Er lebt ja auch dort, wo sie sehr hoch und markant sind. Aber auch andere Länder haben schöne Berge, und irgendwann in den 80ern, am Ende einer Klettertour in Südamerika, war Entspannung in einem Camp angesagt. Prompt knallte dort eine reife Kakaoschote auf den Tisch. So eine rohe Schote ist nicht sehr schmackhaft, und die Metamorphose zu köstlich schmelzender süßer Schokolade umso faszinierender.
Hansjörg, der schon in seinen Wanderjahren an schokoladeaffine Betriebe geraten war, kam auf den Geschmack. Das Interesse war geweckt und ließ ihn nicht mehr los.
Regional von Milch bis Schnaps
Das Sortiment umfasst über 70 Produkte, von belegten Schokotafeln über unterschiedlich gefüllte Pralinen bis hin zu saisonalen Artikeln. © Herbert Lehmann
Eigentlich waren in der elterlichen Konditorei Kuchen, Torten und im Sommer das Eis das Thema. Nach seinem Südamerikaerlebnis lernte Hansjörg an der renommierten Schweizer Fachschule Richemont bei Luzern und bei Valrhona in Frankreich den perfekten Umgang mit Schokolade, und bald begann er, das Sortiment im elterlichen Laden mit Schokoladeerzeugnissen anzureichern.
„Meine Frau hat damals schon gesagt, dass wir Pralinen machen sollen“, erzählt er, und nachdem in Tirol bekanntlich die Tradition des Schnapsbrennens tief verwurzelt ist und eine Praline gerne eine alkoholische Füllung hat, begann eine Kooperation mit einem der besten Brenner des Landes. Christoph Kössler brennt in Stanz, das ist einen Katzensprung von Landeck entfernt, und bekannt für die Stanzer Zwetschke. Dort traf Haag auch Therese Fiegl, die gerade in Wien auf der Boku ihre Abschlussarbeit über das Tiroler Grauvieh, eine autochthone Rinderrasse im Stubaital, gemacht hatte. „Warum nicht eine Schokolade mit Milch oder Rahm von dort zu machen?“
2001 war es dann soweit und die Tiroler Edelschokolade war geboren. Schnell war die Schokolade buchstäblich in aller Munde und man begann, sukzessive die Qualität zu verfeinern und das Sortiment zu erweitern.
Kooperationen mit Mehrwert
„Die Rohstoffe, außer der Schokolade natürlich, sollten aus der Umgebung kommen!“ Das liegt Hansjörg Haag am Herzen. Bergminze, Preiselbeeren, Kräuter, Bergmarille und natürlich die Edelbrände stammen von lokalen etrieben. Domori, die torinesische Schokoladenmarke von Gianluca Franzoni, einem der kreativsten Geister der Branche, fand Gefallen an dem Projekt in Landeck und eine Zusammenarbeit begann. Theresa Fiegl regte nun an, auch die Milch, und nicht nur den Rahm der Tiroler Grauviecher einzubinden. Tirol-Milch lieferte fortan das Milchpulver, bis der Milchbetrieb in die Steiermark übersiedelte. Das war wiederum nicht so im Nachhaltigkeitssinn von Hansjörg und man fand für die Erzeugung einen neuen Partner, die Molkerei Sterzing.
Die Kakaobohnen werden direkt in Venezuela oder von einer Produzentenkooperative in Ghana bezogen und in der Schweiz bei Felchlin oder Domori in Italien mit demMilchpulver der Tiroler Kühe „vermählt“.
Herzen, Zungen und Pralinen
In der Backstube helfen komplexe Maschinen vom Schweizer Marktführer bei der Produktion. © Herbert Lehmann
Dass es im Betrieb handwerklich weitergeht, dafür sorgt sein Sohn Christoph Haag. Der gelernte Koch steht schon seit geraumer Zeit voll im Betrieb und macht gerade die Ausbildung zum Schokoladen-Sommelier in Deutschland. Die 70 Schokoladensorten und 50 unterschiedlichen Pralinen wollen ja, neben den 60 Saisonartikeln und vielen anderen Sonderformen, produziert und in dieeine oder andere Idee in „Form“ gebracht werden.
Seit Kurzem steht eine One-Shot Maschine des Schweizer Maschinenherstellers für Süßwarenprodukte AWEMA in der Produktion. Diese hochmoderne Mehrkolben-Gießmaschine kann, noch neben einigen anderen Zaubereien, in einem Arbeitsgang gefüllte Katzenzungen herstellen. Eines der ersten Produkte mit dieser Maschine sind „Winzerzungen“, eine unwiderstehliche Kombination von Süßweingelee des burgenländischen Winzers Gerhard Kracher und dunkler „Tiroler Edle“-Schokolade.
Fokus auf Qualität
Aber trotz aller maschinellen Hilfen bleibt die Handarbeit an erster Stelle. Klar, mit den Maschinen lässt sich der Ausstoß vergrößern, aber die Rohstoffe sind variabel: Herbstmilch und Frühjahrsmilch unterscheiden sich und dadurch auch die Grundschokolade. Beim Frischrahm ist es genauso. Da gilt es, fein zu justieren, damit die jährlich 150- bis 200-tausend Tiroler Edle Täfelchen perfekt werden, denn mittlerweile werden schon an die 200 Wiederverkäufer beliefert.
Lange wurde an einer biologisch abbaubaren Folie für die Verpackung getüftelt, aber nun ist auch dieses Nachhaltigkeitsthema in trockenen Tüchern. Zum guten Handwerk gehört aber auch, die Lieferanten, die hinter den Zutaten stehen, persönlich zu kennen. Das ist bei Hansjörg Haag ein wichtiges Thema. Nur so kann die hohe Qualität und die ehrliche Arbeit weiterleben. Und das ist bei der Tiroler Edlen ein großes Anliegen.