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Reportage: Chocolaterie Pâtisserie Fruth

Meister der Geschmackskomposition

Ein Artikel von Andrea Sturm | 26.02.2019 - 21:38

Das Schaufenster in der Wiener Kettenbrückengasse hat schon manchen Passanten dazu gebracht, staunend stehen zu bleiben und danach seine Schritte in das kleine Geschäft zu locken, in dem Eduard Fruth seine Kunstwerke kreiert und verkauft. “Die Optik ist das wichtigste”, ist der weitgereiste Konditormeister daher überzeugt, “aber natürlich muss der Geschmack zum Bild passen, sonst kommt der Kunde nicht wieder.”

Wenn Fruth von seinen Produkten spricht, merkt man schnell, dass im Mittelpunkt trotz aller Schönheit der Geschmack steht. Schokolade ist seine Leidenschaft, das fängt schon bei der Auswahl des Rohstoffes an. “Man selektiert die Bohnen nach Anbaugebieten, nach Jahrgang und Sorte. Das ist wie bei einem guten Wein”, erzählt Fruth, “ das Abenteuer ist dann, sie mit verschiedenen anderen Geschmäckern abzustimmen.” Heraus kommen Schokoladen, Pralinen und Trüffel mit Chili oder Zitronenpfeffer, mit grünem Tee und Wasabi. 

Vielfältiger Hintergrund

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Ob Trüffeln, Pralinen oder Schokolade: Besondere Geschmäcker wie Chili, grüner Tee oder Wasabi veredeln die Kreationen von Eduard Fruth. © Andrea Sturm

Der genussvolle Zugang wurde Fruth sozusagen in die Wiege gelegt. Als Sohn eines Konditormeisters und einer französischen Mutter lernte er früh das beste aus beiden Welten. 30 Jahre lang lehrte er an der Wiener Berufsschule für Konditoren und arbeitete daneben bereits an eigenen Kreationen. Ein Jahr in Japan, wo er eine Wiener Konditorei aufbaute und vor Ort die Mitarbeiter schulte, brachte neue Geschmackskompositionen ins Spiel. Erst nach der ersten beruflichen Laufbahn, in einem Alter, in dem viele andere nur noch zwischen Lehnstuhl und Parkbank pendeln, brachte er seine Erfahrungen in ein eigenes Geschäft ein. Aber dass die Genießer der Stadt diese kleine Oase internationaler Konditorkunst genießen dürfen, ist auch ein bisschen die Schuld seiner Frau Louise Fruth. “Als ich an der Berufsschule aufgehört habe, hatte ich eine kleine Backstube gemietet und machte Anlasstorten und Ähnliches”, erzählt Eduard Fruth, “damit war ich eigentlich ganz zufrieden.” 

Louise Fruth entdeckte den ehemaligen Elektrowarenladen im vierten Bezirk, und nach der Renovierung bietet das schmucke kleine Jugendstiljuwel seit 2009 den passenden Rahmen für die Produkte der internationalen Patisserie-Fusion. Produktionstechnische Kompromisse geht Fruth dabei nicht ein. Mit drei Mitarbeitern entstehen die Köstlichkeiten von Hand, auf künstliche Aromen verzichtet der Meister völlig. Die handgerollten Trüffeln etwa werden nach einem traditionellen Rezept zubereitet, aber gut abgestimmt mit neuen Ideen verfeinert. Wasabi, Ingwer oder Rosmarin verleihen dem Genuss den letzten Schliff. Aber auch der klassischen Champagnertrüffel widmet sich Fruth mit Leidenschaft. Sie wird mit Treber gemacht, erzählt Fruth, “die Trüffel schmeckt dann tatsächlich wie der erste Schluck Champagner, bevor die Kohlensäure die Aromen überdeckt.”

Französisch-österreichische Fusion

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Neue Macarons: Mohn-Powidl bringt heimische Aromen in die edlen Mini-Teilchen. © Andrea Sturm

Den Modetrends nachzulaufen, ist dem anspruchsvollen Patissier fremd, und so wehrte er sich lange gegen die heute allgegenwärtigen Macarons. Nach einem  Parisbesuch und etwas gutem Zureden widmete sich Fruth den kleinen Genussbissen allerdings mit gewohnter Leidenschaft und überzeugte auch damit nicht nur die Kundschaft, sondern auch immer wieder in Produkttests. Auch hier paart sich Tradition mit Experimentierfreude. So kreierte Fruth ein Mohn-Powidl-Macaron, das die böhmisch-österreichischen Geschmackswelten raffiniert mit dem luftig-leichten Gebäck kombiniert. Auch die Variante in  Haselnuss mit Ribiselmarmelade geht auf ein heimisches Traditionsprodukt zurück, nämlich auf die Linzer Torte. 

Der Kreativität auf der Spur

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Neues aus Tradition: Marzipan im Zuckerkristallmantel
© Andrea Sturm

An neuen Ideen aus allen Bereichen mangelt es Eduard Fruth nicht. “Man findet immer neue Inspiration, probiert dieses und jenes aus, und das endet dann mit Eierlikör” schmunzelt er mit Blick auf die gut gefüllte Vitrine. Auf Basis seines umfangreichen Erfahrungsschatzes lässt er sich von der Umwelt inspirieren und gibt sich erst zufrieden, wenn ein Produkt zu hundert Prozent seiner Vorstellung entspricht. Auch Bestehendes zu verfeinern ist ein ständiger Prozess. “Ich mag zum Beispiel nicht viel Zucker in den Sachen und gebe stattdessen eine Prise Salz hinein, das intensiviert den Geschmack und rundet ab. Auch Umami hat in dieser Hinsicht seinen Platz in der Patisserie.”, erzählt Fruth. Die Ideen haben sich im Laufe seines  Berufslebens angesammelt.  Dabei hält sieht er eine deutliche Linie zwischen Interpretation und Verfremdung. “Wenn man eine Golatsche mit Apfelfüllung und Rosineneis als Apfelstrudel bezeichnet, wie ich es kürzlich in einem Restaurant erlebt habe, dann nimmt man den Leuten die Chance, das ursprüngliche zu erleben.”, ist Fruth überzeugt. Die Interpretation in seinem eigenen Stil bleibt immer nahe an der Tradition. So ist etwa die handgelegte Cremeschnitte ein vertrauter Geschmack in edler Optik, und auch über die Sprache lässt es sich nachdenken. “Eigentlich würde ich lieber Millefeuille dazu sagen,”, schmunzelt Fruth, “aber das Wort Cremeschnitte erzeugt Emotionen und Erwartungen, die man hierzulande mit der französischen Bezeichnung nicht hervorrufen kann.” Manchmal ist es auch ein sehr altes Verfahren, das dann wieder zur Neuheit wird - so etwa das Marzipankonfekt, das über Nacht im Zuckerbad einen Kristallmantel erhält. “Das gibt eine neue Sensorik beim Anbeißen und hält das Marzipan frisch”, erklärt Fruth. 

Süße Zukunftsaussichten

Sein umfangreiches Wissen hat Fruth bereits durch die Mitarbeit an Lehrbüchern und dem Konditorenlexikon weitergegeben, und in der Patisserie werden laufend Lehrlinge ausgebildet, doch wie lange es die Spezialitäten noch direkt aus Meisterhand geben wird, ist ungewiss. “Ewig werde ich auch nicht weitermachen”, erklärt der 79-jährige. Die Freude am süßen Geschäft ist ungebrochen, doch wie viele andere leidet der Patissier unter der überhandnehmenden Bürokratie. Die Frage nach einem Nachfolger ist ungeklärt, und auch in dieser Hinsicht bleibt Fruth seiner anspruchsvollen Linie treu. “Es müsste jemand sein, der sich der Materie mit gleicher Leidenschaft und Präzision widmet.”

Weblink: www.fruth.at